Mit Besorgnis stellen die Unterzeichnenden dieses Briefes fest, dass am 20. Juli eine Petition online ging, die das Ziel hat, die Regierung aufzufordern, LGBTIQA+-Themen aus den Lehrplänen von Minderjährigen zu streichen. Dies geschah weniger als eine Woche nach der Luxembourg Pride, deren Zweck es ist, queeren Menschen Sichtbarkeit zu geben.

Wir sind überrascht, dass eine Petition als zulässig angesehen wird, die LGBTIQ+-Identitäten als Ideologie behandelt, über die Eltern nach eigenen Werten und Überzeugungen aufklären sollen oder eben nicht, wodurch Ausgrenzungen geschaffen werden. Die Petition Nr. 3198 geht davon aus, so unser Verständnis, dass die Kenntnis über queere Identitäten eine psychopädagogische Störung hervorrufen kann. Außerdem möchten wir darauf hinweisen, dass das Unsichtbarmachen eine klare Ausgrenzung der LGBTIQA+ Community darstellt, was wir als einen queerfeindlichen Akt betrachten1. Dementsprechend werden unserer Meinung nach die ethischen Prinzipien, die eine Petition erfüllen muss, nicht respektiert. Diese Petition verstößt gegen Menschenrechte sowie gegen das Engagement der Regierung im Koalitionsvertrag für eine inklusive Bildung und ignoriert dabei empirische und wissenschaftliche Realitäten.

Dass die Petition nur drei Tage nach ihrer Veröffentlichung die erforderlichen 4.500 Unterschriften erreicht hat und entsprechend von rechtsextremen Politiker*innen, wie z.B. einem ADR-Abgeordneten, kommentiert wurde, trägt erneut zu einem anti-queeren Diskurs bei, der sich in den letzten Jahren verschärft hat.

Ein solches Verbot wäre eindeutig Zensur und erinnert uns an Gesetzesinitiativen, wie wir sie aus anderen Ländern kennen, wie beispielsweise Russland oder Ungarn, ebenso wie an das „Don’t say gay“-Gesetz, wie es im US-Bundesstaat Florida umgesetzt wurde.

Die Unterzeichnenden dieses Briefes möchten darauf hinweisen, dass trotz langjähriger Forderungen der queeren Community und verbündeter Organisationen in Luxemburg und, wie auch eine Studie der Uni.lu mit dem Titel Les représentations du genre dans les manuels scolaires – Une étude à l’école secondaire luxembourgeoise2 von 2023 zeigt, LGBTIQA+-Themen nach wie vor nicht konsequent im Schulprogramm integriert sind. Das Unsichtbarmachen queerer Identitäten im Unterricht führt dazu, dass Kinder einerseits möglicherweise nie mit diesen Lebensrealitäten in Kontakt kommen, fremde Vorurteile übernehmen oder, im Falle, dass sie selbst betroffen wären, ihre eigene Identität nicht in einem geschützten Bereich kennenlernen können und sich so alleingelassen fühlen. Die Petition verletzt die Menschenrechte queerer Minderjähriger, ihrer Eltern und der queeren Gemeinschaft in Luxemburg insgesamt. Wir betonen, dass eine umfassende Aufklärung über emotionale und sexuelle Gesundheit ein wichtiges Mittel zur Prävention von Gewalt, Missbrauch und Diskriminierung ist. Diese Art der Prävention gehört eindeutig zu den Rechten des Kindes.

Selbstverständlich muss jede Form von schulischen Inhalten immer dem jeweiligen Alter der Schüler*innen angepasst sein. Das Unsichtbarmachen von Lebensidentitäten, die Teil unserer Gesellschaft sind, dient weder unseren Kindern noch unserer Gesellschaft, am allerwenigsten den queeren Kindern bzw. den Kindern aus Regenbogenfamilien. Die Rolle der Schulen besteht darin, über unsere vielfältige Gesellschaft aufzuklären, und dies frei von Vorurteilen.

1 Art.15(2) der Verfassung: « Nul ne peut être discriminé en raison de sa situation ou de circonstances personnelles »
2 https://www.uni.lu/fr/news/les-representations-du-genre-dans-les-livres-scolaires-en-secondaire/

Die Unterzeichnenden:

4motion
CID FRAEN AN GENDER
CESAS
CET
Centre LGBTIQ+ Cigale
Citizens for Ecological Learning & Living
De Podcast Méi wéi Sex
Familljen-Center
FESTROGEN
Laboratoire d’Études Queer, sur le Genre et les Féminismes – LEQGF Asbl
LËTZ RISE UP
Megaphone
Musée National de la Résistance et des Droits Humains
Planning Familial
PRIZMA – uni.lu LGBT+ Students‘ Association
queer loox
Richtung22
Rosa Lëtzebuerg asbl

Tom Hecker
Author: Tom Hecker